_ St. Aegyd am Neuwalde

Außenlager des KZ Mauthausen

Gedenkstätte am Friedhof 2023
Am 2. November 1944 erreichten 300 KZ-Häftlinge mit dem Zug aus Mauthausen kommend den Ort St. Aegyd am Neuwalde. In den folgenden Monaten wurden sie dort unter schwierigen äußeren Bedingungen und Gewaltausübung durch Lager-SS und Kapos zur Errichtung eines Außenlagers herangezogen.
Am 2. November 1944 erreichten 300 KZ-Häftlinge mit dem Zug aus Mauthausen kommend den Ort St. Aegyd am Neuwalde. In den folgenden Monaten wurden sie dort unter schwierigen äußeren Bedingungen und Gewaltausübung durch Lager-SS und Kapos zur Errichtung eines Außenlagers herangezogen. Zweck dieses Lagers war die Schaffung der Infrastruktur für Panzerprüfstände im Auftrag der Kraftfahrtechnischen Lehranstalt der Waffen-SS, die ihren Sitz in der „Fasangartenkaserne“ in Wien-Schönbrunn hatte. Im Vorfeld kam es in St. Aegyd zu einem Treffen hochrangiger Experten der Luftfahrt- und Rüstungsindustrie, welche die technische Umsetzung des Projekts diskutierten. Die in der Luftfahrt bereits erfolgreich eingesetzte Turboantriebstechnologie sollte nun auf Panzer übertragen werden. Erste Prototypen sollten von der KTL in Wien entwickelt und in weiterer Folge in der Kraftfahrtechnischen Versuchsanstalt, die in St. Aegyd entstehen sollte, geprüft und zur Serienreife gebracht werden.

Zwangsarbeit fordert 46 Todesopfer
Die KZ-Häftlinge leisteten Zwangsarbeit bei Bauarbeiten im Umfeld dieses geplanten Projekts, etwa in Form der Gewinnung von Rohstoffen (Holz, Schotter) sowie bei der Errichtung einer Geleisabzweigung von der Traisentalbahn bis zum geplanten Versuchsgelände. Sowohl die extrem unwirtliche Witterung als auch die mangelnde Ernährung, Verpflegung und medizinische Versorgung hatten zur Folge, dass eine Vielzahl der KZ-Häftlinge bereits nach wenigen Wochen arbeitsunfähig war und nach Mauthausen rücküberstellt werden musste. Der Zeitraum bis zur Schließung und Räumung des Lagers am 1. April 1945 war geprägt von dem vergeblichen Versuch der SS-Lagerleitung, neue KZ-Häftlinge von Mauthausen zu gewiesen zu bekommen. Innerhalb von nur fünf Monaten wurden im Lager St. Aegyd 46 der insgesamt rund 500 KZ-Häftlinge ermordet und direkt vor Ort in einem Sammelgrab beerdigt.

Sammelgrab bleibt als einzige Spur
Das ehemalige Lagerareal fungierte nach Kriegsende kurzzeitig als Lazarett, in den folgenden Jahren wurde das Gelände vom Besitzer Diözese St. Pölten in Bauparzellen unterteilt und es entstand eine Einfamilienhaussiedlung. Sämtliche Spuren des Lagers verschwanden, die Baureste und übrig gebliebenen Baustoffe wurden teilweise von den „Häuslbauern“ in ihre Häuser integriert. Die einzige Spur des KZ-Lagers, die vor Ort erhalten blieb, ist das Massengrab, das heute als KZ-Friedhof auch Ort alljährlicher Gedenkfeiern ist. Der Gemeinderat von St. Aegyd beschloss noch im Dezember 1945, den Ermordeten ein würdiges Andenken zu schaffen und ließ beim Massengrab ein einfaches Holzkreuz anbringen. Auf Kosten der NÖ Landesregierung wurde 1949 eine Gedenktafel mit der Inschrift „80 unbekannte KZler Kriegsopfer 1940-1945“ ergänzt. Im nationalen „Bedenkjahr“ 1988 wurde auf Initiative von SPÖ und ÖGB im KZ-Friedhof ein Gedenkstein mit der Inschrift „Den Opfern des Faschismus März 1988“ ergänzt.

Überparteilicher Verein konstituiert sich
Bis in die ersten 2000er-Jahre veranstaltete die Bezirks-SPÖ alljährlich einen „Schweigemarsch“, der vom Ortszentrum zur Gedenkstätte führte. Infolge einer ersten umfangreicheren wissenschaftlichen Aufarbeitung der Lagergeschichte durch den Historiker Christian Rabl, die 2008 auch zu einer Publikation im Rahmen der Mauthausen-Studien führte, gründete sich im Jahr 2010 ein überparteilicher und überkonfessioneller Gedenkverein, die „Gedenkinitiative KZ-Außenlager St. Aegyd (GISTA)“, die seither die jährliche Gedenkfeier organisiert. Inhaltlich und musikalisch gestaltet wird die Feier jedes Jahr – entlang eines Jahresthemas – von Schüler:innen der Neuen Mittelschule St. Aegyd, die sich am ehemaligen Lagergelände befindet. Die Mitwirkung der Schüler:innen hat sich inzwischen im Lehrplan der Schule dauerhaft etabliert.
Zudem lud die GISTA über die Jahre immer wieder Zeitzeug:innen – darunter den St. Aegyder KZ-Überlenden Rajmund Pajer – sowie renommierte Redner:innen ein. Darunter etwa im Jahr 2011 die damalige Präsidentin des Österreichischen Nationalrates Barbara Prammer oder im Jahr 2017 den bekannte Schauspieler Miguel Herz-Kestranek.
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